Metakognitive Therapie

Die Metakognitive Therapie (MCT) wurde von Prof. A. Wells entwickelt und ist Bestandteil der sogenannten dritten Welle der Verhaltenstherapie. Obwohl ihre theoretischen Grundlagen relativ alt sind, gehört sie damit zu ihren neueren Entwicklungen. Bereits 1994 wurde das grundlegende metakognitive Modell publiziert (Wells and Matthews, 1994), das auch heute noch das theoretische Fundament des Ansatzes bildet. Es handelt sich um ein Informationsverarbeitungsmodell der psychologischen Grundlagenforschung, das, wie der Name schon impliziert, aktive Verarbeitungsprozesse und selbstregulatorische Strategien als hauptverantwortlich für psychische Störungen betrachtet. Die Annahmen des Modells wurden in den vergangenen Jahren schrittweise wissenschaftlich überprüft, anschließend erste Interventionen entwickelt und evaluiert und in einem letzten Schritt zu einem gesamten Therapiepaket ausgeweitet.

Anders als in der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) sind nicht die Inhalte von automatischen Gedanken von einer wesentlichen Bedeutung für die Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen. Die meisten Menschen hatten schon einmal einen Gedanken wie z.B. „Ich bin ein Versager!“ oder „ Immer geht alles schief!“ und doch haben diese Menschen nicht automatisch eine Depression entwickelt. Die CBT konnte bisher nicht ausreichend erklären, auf welche Art und Weise die typischen Denkstile entstehen, die bei Menschen mit einer Depression, beispielsweise in Form von ausgeprägtem Grübeln, einem Außenstehenden oft förmlich ins Auge springen. Statt des „Was“ Menschen denken legt die MCT den Fokus gerade auf diese kognitiven Prozesse, nämlich das „Wie“ Menschen mit aversiv erlebten Gedanken, inneren Bildern oder Gefühlen umgehen, d.h. wie sie denken und wie sie ihre Aufmerksamkeit lenken.

Ob eine Person als Reaktion auf den automatischen Gedanken „Ich bin ein Versager“ beginnt, ausgiebig zu grübeln oder sich stattdessen rational Möglichkeiten überlegt, wie sie beim nächsten Mal einen Misserfolg vermeiden kann und erste Maßnahmen in diese Richtung ergreift, liegt an den vorhandenen Metakognitionen einer Person.

Metakognitionen sind Überzeugungen über Kognitionen, kognitive Prozesse und Prozesse der Aufmerksamkeitslenkung. Sie bestimmen, auf welche Strategien eine Person als Reaktion auf innere Ereignisse zurückgreift und steuern und überwachen ihren adäquaten Einsatz. Eine Metapher soll helfen dies zu illustrieren. Stellen Sie sich ein Orchester vor. Um eine wunderbare Ouvertüre zu spielen, benötigt das Orchester eine entsprechende Partitur und einen Dirigenten. Metakognition ist beides: Partitur und Dirigent zugleich. Die eingesetzten Strategien sind grundsätzlich aktive Strategien, auch wenn dies den Betroffenen häufig nicht bewusst ist. In der metakognitiven Theorie werden positive und negative Metakognitionen unterschieden. Positive Metakognitionen beschreiben den Nutzen einer bestimmten Strategie und sind verantwortlich für die Auswahl einer ebensolchen (z.B. „Wenn ich nur ausreichend grübele, dann werde ich eine Lösung für mein Problem finden!“ oder „Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf potentielle Gefahren richte, dann werde ich sicher sein!“). Negative Metakognitionen hingegen sind Überzeugungen über die Unkontrollierbarkeit bestimmter Prozesse (z.B. „Ich kann mein Grübeln nicht steuern!“) oder ihrer Gefährlichkeit (z.B. „Wenn ich mir weiter Sorgen mache, dann werde ich noch verrückt“). Sie tragen zur Entstehung zusätzlichen Leidens und eines perseverierenden Einsatzes der gewählten Strategie bei.

Die MCT hat klar definiert, welche kognitiven Strategien und Strategien der Aufmerksamkeitslenkung zu einer Verschlechterung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen führen, wenn ihr Einsatz unflexibel und perseverierend wird. Diese problematischen Strategien werden unter dem Begriff „Kognitives Aufmerksamkeitssyndrom (CAS)“ zusammengefasst und umfassen Grübeln, Sich-Sorgen-machen, das Richten der Aufmerksamkeit auf potentielle Gefahren sowie weitere offene und verdeckte dysfunktionale Bewältigungsverhaltensweisen wie z.B. den Versuch, bestimmte Gedanken zu unterdrücken, das Suchen nach Rückversicherungen, das gezielte Vermeiden von Situationen, usw.

Folgerichtig bestehen die Ziele der MCT darin, das CAS abzuschaffen und die zugehörigen metakognitiven Überzeugungen zu verändern. Die Patienten gewinnen dadurch die flexible Kontrolle über ihre kognitiven und Aufmerksamkeitsprozesse zurück und lernen neue Wege, sich auf ihre negativen Gedanken und Emotionen zu beziehen und mit ihnen umzugehen.

Erste wissenschaftliche Ergebnisse weisen darauf hin, dass MCT ein psychotherapeutisches Verfahren darstellt, dass bereits in relativ wenigen Behandlungssitzungen (ca. 10 Sitzungen) bei einem Großteil der Patienten einen nachhaltigen Therapieerfolg erreichen kann, der den etablierten Verfahren wie der CBT ebenbürtig ist. Damit könnte die MCT ein hoch wirksames und doch zeit- und kostengünstiges Psychotherapieverfahren darstellen. Diese Ergebnisse stammen jedoch bis zum jetzigen Zeitpunkt zunächst aus ersten offenen Studien, so dass weitere Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung, insbesondere aus kontrollierten und randomisierten Studien, notwendig und mit Spannung zu erwarten sind.

Die psychotherapeutische Behandlung nach MCT-Konzept liegt für die Störungsbilder der Generalisierten Angststörung, der Depression, der Zwangsstörungen sowie der Posttraumatischen Belastungsstörung bereits in manualisierter Form vor. Es existieren speziell auf die jeweiligen Störungsbilder zugeschnittene Fallkonzepte, Skalen und Fragebögen sowie detaillierte Behandlungspläne für den Einsatz der verschiedenen metakognitiven Interventionen. Der interessierte Leser kann sie in dem Buch „Metakognitive Therapie bei Angststörungen und Depression“ (Wells, 2009; Wells, 2011) nachlesen. Ein weiteres Konzept existiert für die Soziale Phobie, an Ansätzen zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung, Hypochondrie, Alkoholabhängigkeit sowie von akustischen Halluzinationen wird aktuell gearbeitet.

Literatur

  • Wells, A. Metacognitive Therapy for Anxiety and Depression. 1 ed. Guilford Pubn, 2009.
  • Wells, A. Metakognitive Therapie bei Angststörungen und Depression. 1 ed. Weinheim, Basel: Beltz, 2011.
  • Wells, A. and G. Matthews. Attention and Emotion: A Clinical Perspective. illustrated edition ed. Psychology Pr, 1994.

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